Pro Romania e.V.
Rundbrief im Juni 2007

 

Autor: Werner Becker

Liebe Freunde,
 
 wieder ist eine erfolgreiche Rundreise durch Rumänien zu Ende gegangen. Unsere Begegnungen bei den verschiedenen Stationen entwickeln sich zusehends zu einer Plattform, bei der eine Zielsetzung unseres Vereins, nämlich internationale Kontakte zugunsten einer besseren Völkerverständigung zu knüpfen und zu bewahren, hautnah erlebt und gelebt werden kann.
 Was könnte fruchtbarer und wertvoller sein als solche Erfahrungen?
 Keine Bücher und keine Medienberichte ersetzen die menschlichen Begegnungen, das persönliche Gespräch erst bietet die Basis für ein Kennenlernen der Situation des Gegenüber, seiner Lebensbedingungen und Lebenserfahrungen. Im persönlichen Erfahrungsaustausch erst entwickelt sich die Fähigkeit zur Empathie und zum offenen und unvoreingenommenen Umgang mit seinem Nächsten.
 
 Diesmal geschehen auf der Alpin-Ranch in Zarnesti.
 Hanna, eine Jüdin aus Israel, geboren 1922 in Temesvar, ausgewandert 1946 nach Palästina, eine Pionierin und Frau der ersten Stunde des neuen Staates Israel sitzt mit ihren Söhnen und der Schwiegertochter mit uns im Jahr 2007 bei Constantin Nimat zu Tisch. Wir essen gemeinsam, singen und tanzen zusammen und erleben gemeinsam einen unvergesslichen Folkloreabend. Wir gehen zusammen auf Bärenpirsch und zu Kletterausflügen, zu Stadtbesichtigungen und vielen anderen Unternehmungen.
 Hanna ist auf der Suche nach ihren Wurzeln.
 „Ich wollte noch einmal in meinem Leben meine Stadt, mein Haus sehen, in dem ich geboren bin und meinen Angehörigen und Freunden von damals an ihren Gräbern gedenken
 Die Gräber auf dem jüdischen Friedhof in Temesvar hat sie gefunden; stumme Zeugen einer längst vergangenen Zeit, einer Zeit, die für die Jüdin Hanna eigentlich nur in den frühen Kinderjahren Glück und Geborgenheit bedeutet haben kann. Denn dann kam der Terror, jener schreckliche und menschenverachtende Naziterror, der von Deutschland ausging und sich wie eine Krake über ganz Europa ausbreitete und schließlich auch Rumänien nicht verschonte. Der Rassenwahn jener „Herrenmenschen“ plante systematisch und industriell die Ausrottung der jüdischen Bevölkerung in Europa, ein einmaliges Verbrechen in der Menschheitsgeschichte, das bis zum Kriegsende 1945 über 6 Millionen Opfer forderte.
 Aber Hanna sitzt mit ihren Söhnen und mit ihrer Schwiegertochter zusammen mit uns bei Constantin Nimat am Tisch. Sie hat den Terror überlebt. Sie spricht mit uns wie mit Freunden. Ihre Warmherzigkeit und ihre Offenheit uns gegenüber erstaunen mich und berühren mich zutiefst. Mir schießt plötzlich die Verantwortung ins Bewusstsein, die wir haben, wir, die Nachkriegskinder, die keine Schuld an diesem Völkermord haben, wohl aber die Verantwortung dafür tragen, dass so etwas nie wieder geschehen kann.
 Wir werden Freunde und beten für Frieden in Palästina.
 
 Otto Wagner betreibt eine kleine Pension in Biertan. Vor der rumänischen Revolution im Jahr 1989, die die schreckliche Zeit der Ceaucescu-Diktatur hinweg fegte, ist er geflohen: nach Deutschland, denn er ist Deutscher, genauer: „Siebenbürger Sachse“
 „Gegen Ende der achtziger Jahre war die Situation in Rumänien unerträglich geworden. Bespitzelung und Entwürdigung auf Schritt und Tritt, dazu Elend und immer größere wirtschaftliche Not“
 Otto sitzt bei uns am Frühstückstisch und erzählt seine Lebensgeschichte.
 „Was hatten wir für Vorstellungen vom Schlaraffenland Deutschland; das Land der Dukatenesel, wo das Geld an den Bäumen wächst. Wir hatten keine Ahnung. Wir waren eingesperrt und abgeschirmt von der Außenwelt. Wir hatten nur unsere Träume“
 Otto ist zurückgekehrt. Wir übernachten in seiner kleinen Pension in Biertan und diskutieren mit ihm am Frühstückstisch. Die Heimatverbundenheit war stärker als alle Aussicht auf Reichtum und wirtschaftlichen Erfolg. Otto hat gemerkt, dass er das nicht braucht. Er lebt seinen Traum in seiner Heimat. Otto sagt: „Die Ceaucescu-Diktatur hat die Menschen verändert, der mentale Schaden ist schlimmer als alles andere“ Er will mit helfen, ihn zu heilen, nicht als Deutscher, nicht als Rumäne, als „Siebenbürger Sachse“
 Wir sitzen mit Otto am Frühstückstisch und sagen, dass wir wieder kommen.
 
 In Lipova treffen wir einen deutschen Unternehmer, der in Rumänien investiert. Wir erzählen ihm von unserer 15 jährigen Tätigkeit in Alios. Wir reden mit ihm über Pro Romania und Alcar, über unsere Projekte und über unsere Zielsetzungen. Er ist begeistert und verspricht spontan seine Unterstützung. Wir sind stolz und dankbar und laden ihn ein, zusammen mit unseren Freunden aus Alios zu feiern. Er nimmt dankbar an.
 
 Liebe Freunde,
 eine erfolgreiche Rumänienfahrt ist zu Ende gegangen.
 Dies und noch viel mehr bieten solche Touristikprojekte mit Pro Romania, wenn die Voraussetzungen bei den Mitfahrern stimmen. Alle, die Freude daran verspüren, Menschen zu treffen, Schicksale zu erfahren und Freundschaften zu knüpfen; alle, die zuhören und verstehen und mehr wissen wollen von anderen Menschen ohne unbedingt immer die eigenen Erfahrungen als „ultima ratio“ zu deklarieren, laden wir ein:
 Komm mit uns nach Rumänien! Es wird ein unvergessliches Erlebnis.
 
 Euer Werner


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