Dieser Tage fiel mir die Argumentation eines
ehemaligen Vereinsmitglieds wieder ein, die da lautete: „Rumänien ist
mittlerweile Mitglied in der EU und braucht daher meine Unterstützung nicht
mehr…“
Auf den ersten Blick logisch und nachvollziehbar, fließen doch nun etliche
Millionen EU-Gelder zur Aufbauhilfe und Umstrukturierung ins Land, die den
Wohlstand bringen und garantieren sollen. Und tatsächlich: es tut sich was,
unübersehbar. Firmen investieren und produzieren, schaffen Arbeitsplätze.
Straßen werden gebaut; eine Infrastruktur wird geschaffen, die den Weg
bereitet für bessere Vernetzung der Zentren; die Städte werden
herausgeputzt, damit sie mit den Metropolen Europas konkurrieren können, und
wirklich – sie brauchen den Vergleich nicht zu scheuen.
Was soll ein Verein wie Pro Romania da schon groß bewirken?
Wer in rein materiellen Kategorien denkt, mag sich da schon bestätigt sehen.
Unser Kapitalbudget reicht natürlich nicht aus, in unserer Partnerortschaft
Alios irgendetwas strukturell zu verändern; dazu sind wir ein zu kleiner
Fisch!!
Aber war das denn jemals unsere Aufgabe??
Ist da nicht eher die Politik gefragt, auch auf dem Land die notwendigen
Infrastrukturen zu schaffen, damit sich die Lebensverhältnisse verbessern
und langsam, ganz langsam auf europäisches Niveau kommen? Die nächsten
Jahrzehnte werden Fortschritte bringen; allerdings werden die Menschen,
denen wir zu Beginn unserer Tätigkeit im Jahr 1992 begegnet sind, dies nur
noch zu einem kleinen Teil erleben, wenn überhaupt.
Aber das ist auch nicht das Wichtigste, weder für die
Menschen vor Ort, die mit den Verhältnissen, so wie sie sind, vertraut sind
und kaum etwas anderes kennen, noch für die Motivation des Vereins Pro
Romania, in Rumänien aktiv zu sein.
Keine Frage: Natürlich freuen sich die Menschen in Alios über die ganz
allmählich stattfindende Verbesserung der Lebenssituationen: Kneipe,
Tante-Emma-Laden, Alcar-Second-Hand-Laden, Telefon, Fernseher, Computer –
alles da! Vieles geht schneller als noch vor einigen Jahren, und man muss
auch nicht mehr einen ganzen Tag verplanen, um irgendetwas für den täglichen
Bedarf zu bekommen. Erleichterungen, das Leben wird bequemer.
Im Hinblick auf die oben erwähnte Argumentation stellt
sich jetzt aber die Frage, ob es wirklich in erster Linie die Aufgabe
unseres Vereins ist, durch finanzielle und materielle Hilfe die genannten
Erleichterungen herbeizuführen und das Leben bequemer zu machen, oder sind
hier andere Werte gefragt. Ganz abgesehen davon, dass eine rein materielle
Unterstützung ohne das Hinterfragen jeglicher Effizienz der
Eigenorganisation der Betroffenen eher zu kontraproduktiven Ergebnissen
führt, ist diese Art von „Hilfe“ für die Erbringer mit dem wenigsten Aufwand
verbunden, vor allem, was die geistigen Sportarten betrifft. Man gibt Geld
und beruhigt sein Gewissen, und dies ist bekanntlich ein sanftes Ruhekissen.
Es erfordert da schon ein wenig mehr Einsatz von Grips, sich Projekte zu
überlegen, die der Hilfe zur Selbsthilfe dienen, so abgegriffen der Begriff
auch sein mag.
Aber diese Hilfe zur Selbsthilfe wird in den wenigsten Fällen in den
Denkmustern der finanziellen und materiellen Ströme erreicht, sondern
vielmehr in einer „ideellen“ Unterstützung, die den geistigen Horizont
erweitert und eben gerade weg führt von rein kommerziellen Denkschemata, die
letztlich darin münden, dass sie die Kreativität beschneiden und den Weg für
Visionen versperren.
Natürlich sind finanzielle Mittel erforderlich, aber sie sind bei weitem
nicht das Einzige, worauf es uns ankommen muss.
Menschen mit Visionen sind gefragt; Menschen, die sich
höhere Ziele setzen als nur die Befriedigung materieller Wünsche; Menschen,
die Wert legen auf gute zwischenmenschliche Beziehungen, auf die Bekämpfung
von Vorurteilen zwischen den Völkern und Kulturen; Menschen, die Wert legen
auf eine bessere Völkerverständigung zur Erhaltung des Friedens auf unserem
Kontinent und auf der ganzen Welt; Menschen, die Menschen zusammen führen
wollen und eben nicht in der Bequemlichkeit ihres finanziellen Wohlstands
verharren.
Auf unserem Kulturfestival „Brücken bauen zwischen den
Kulturen – Wege zu einer besseren Völkerverständigung“ haben Michael Riehm
und Freunde gesungen:
„Lasst uns das Paradies erproben
auch wenn um uns Schlachten toben
und niemand auf uns hört….
…denn die Normalen sind die Verrückten
Träumer werden erschlagen
doch die Träumer bauen neue Welten
von ungeahnter Schönheit….
Wohl wahr!!!
Euer Werner
Titellied als MP3-Download (7,36 MB gezippt)
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